Nordosten
Heute Morgen will ich in der BMW Motorrad Vertretung in Udine einen Service durchführen lassen. Zwischenzeitlich sind 20’000 km auf dem Tacho registriert. Der Serviceverantwortliche hinter dem Pult lächelt mich freundlich an und meint ab dem 11. Juni hätte er noch einen freien Platz. OK, das geht mir zu lang. Triest ist ebenfalls für mehrerer Tage ausgebucht. Muss ich jetzt nach Hause? Ein paar Kilometer liegen noch drin, würde ich meinen. Zwischenzeitlich bin ich im nordöstlichen Teil von Italien angekommen, im Friaul. Diese Gegend ist bekannt für den wohl besten Rohschinken aus Italien, dieser kommt aus dem Dorf San Daniele. Ein Naturparadies ist das Friaul mit seinen Dolomiten. Die Gegend hat spektakuläre Strassen zu bieten. Nur blöd, dass auch in diesem Teil der Regen und der Nebel dominiert. Wirklich schade, dass ich mitten durch die Friauler Dolomiten fahre und kaum einen Berg in der Gesamtheit sehen kann. Das werde ich bestimmt bei schönem Wetter nochmals nachbessern.
Passo San Boldo
Italienische Strassenbaukunst in Vollendung. Aus Sicherheitsgründen ist der Verkehr in diesem Teil einspurig geführt. Es versteht sich von alleine, dass dieser Pass für Camper und Lastwagen gesperrt ist. Einfach genial! Am kommenden Sonntag wird der Giro d’Italia über den San Boldo fahren. Vielleicht kann man den Pass im Fernsehen bei schönem Wetter bewundern. Den Sportlern wäre es auf jeden Fall zu gönnen. Die Dörfer in der Umgebung haben schon kräftig dekoriert und heissen den Giro d’Italia mit Plakaten und selbstgebastelten Velos willkommen.
Reifenpanne
Auch auf dieser Tour habe ich eine Reifenpanne zu vermelden. Wie immer passiert mir das in ganz abgelegenen Gegenden. Die Kommandozentrale spuckt rote, unübersehbare Hinweise auf das Display aus und vermeldet einen Druckabfall im hinteren Reifen. Der Normaldruck liegt bei 2.9 bar, aktuell habe ich noch 2.5 bar zu bieten. Da ich den Druck der beiden Reifen auf dem Cockpit jederzeit in Blick habe, kann ich feststellen, dass ich nur langsam Luft verliere. Mein Entscheid ist schnell gefasst, ich will soweit wie möglich fahren um in einem Dorf oder bei einer Tankstelle der Sache auf den Grund zu gehen. Ich setze mir das Limit von 1.9 bar dann halte ich an und überprüfe den Reifen. Nach einer Stunde habe ich es in ein Dorf geschafft aber bei der Tankstelle gibt es keine Druckluft oder ein Manometer. Ich fahre im Dorf auf und ab und sehe eine kleine Autowerkstatt. Das Tor steht offen und ich fahren in den Innenhof. Alles verlassen und weit und breit niemand da. Ich ziehe das Motorrad auf den Hauptständer und suche nach der Ursache. Nach wenigen Sekunden ist der Übeltäter gefunden ein kleiner Stift hat sich in den Reifen gebohrt und durchdrungen. Glücklicherweise habe ich das Reperatur-Kit dabei und mache mich an die Arbeit.
- Stelle markieren
- Stift rausziehen
- mit Raspel die durchbohrte Stelle reinigen
- Gummiband mit Öse durchstossen und wieder rausziehen
- Überflüssiges Material abschneiden
- Pumpen
- Weiterfahren
Als ich fertig bin, fahren zwei Herren auf den Hof und wundern sich über das Gewerke in ihrem Hof. Ich frage Sie nach Luft für den Reifen. Die beiden freundlichen Zeitgenossen laufen los und bringen mir den Schlauch und das Manometer zum Motorrad. Besser geht es nicht. Ich darf sogar bei Ihnen die Hände waschen. Ein Trinkgeld wollen sie Partout nicht annehmen, wollen dafür aber wissen was OW zu bedeuten hat und wo es in der Schweiz liegt. Das ist mit dem Handy schnell erklärt und weiter gehts.
Sturz
Am Monte San Simeone treffe ich auf einen Berg, der wohl eine der spektakulärsten Strassen zu bieten hat, welche ich jemals gefahren bin. 10 km lang mit extrem steile Kehren, die teilweise durch Tunnels nach oben führen. Die Strasse ist krass in den Berg eingearbeitet. Es ist neblig und eng, eine Leitplanke auf der Talseite gibt es nicht. Ich entscheide mich am Hang entlang zu fahren um auf der sicheren Seite zu sein. Wenig später treffe ich auf Äste, welche über die Strasse ragen, genau auf Visierhöhe. Ich ducke instinktiv den Kopf um auszuweichen und fahre genau in diesem Moment mit dem Vorderrad in eine tiefe, nasse Blätteransammlung, Flutsch das Vorderrad verliert an Haftung und rutscht weg. Zusammen mit dem Motorrad liege ich auf der engen Bergstrasse. Weit und breit niemand zu sehen. Also muss ich es alleine schaffen, das Motorrad aufzurichten. Um es mir etwas einfacher zu machen schnalle ich alles Gebäck ab, stelle das Motorrad auf und bestücke es danach wieder mit dem Gepäck. Ich und das Motorrad haben bei dem Sturz im Schritttempo nichts abgekriegt. Das Zubehör Notruf wurde dabei auch gleich mitgetestet. Sobald eine unabhängige Steuerung merkt, dass das Motorrad am Boden liegt, wird eine SOS Meldung abgesetzt. Über das Display kriegt man einen Hinweis, dass man ein paar Sekunden Zeit hat den Alarm zu reseten. Ich öffne die Klappe auf der rechten Lenkerseite mit der Bezeichnung SOS und drücke für drei Sekunden die darunterliegende Taste, schon ist der Notruf quittiert. Falls man das nicht tut, wird vom Motorrad die GPS Position an die nächste Notfallorganisation übermittelt, welche dann unverzüglich ausrückt. So schnell kann es gehen. Einmal den Blick nicht auf den Horizont gerichtet und schon ist man überfordert und liegt auf dem Pflaster.