Samstag, irgendwo zwischen Dauerregen und Dauergrinsen
Die Patina ist da! Am Motorrad und an den Stiefeln. Und sie bleibt. Gestern hat der Regen den Grundstein gelegt – heute wird sie sorgfältig ausgebaut. Ein echter Schlechtwetterauftrag für Fortgeschrittene. Motorradpflege à la Natur eben. Zum Glück fahre ich keinen „Chetti-Töff“ mehr, schmieren ohne Ende wäre da wohl angesagt.
Das Frühstücksbuffet im Hotel öffnet offiziell um 8 Uhr. Und wird punktgenau um 08:00 Uhr von einer Mischung aus Rentnern, Rucksacktouristen und deutschen Besserwissern belagert. Fehlt nur noch der „Tüechli-Trick“ beim Liegestuhl am Pool. So ein graus, aber der Kaffee wirkt, ist in meiner Schaltzentrale angekommen. Es kann losgehen.
8 Grad. Nieselregen. Dann Platzregen. Dann Regen mit Seitenwind. Richtig Freude kommt auf. Ich passiere das Continental-Werk – wo tatsächlich die aktuellen „Gummis“ meiner Maschine herkommen. Die halten sogar ein bisschen länger als andere – aber ganz ehrlich: an Pirelli kommt halt keiner ran. Die machen nicht nur Kalender mit ästhetischen Kurven, sondern auch Reifen mit Grip.

Am einem der Grenzpässe Polen-Tschechien, dann ein Schreckmoment: Drei polnische Töff-Racer donnern in Angriffsformation an mir vorbei, grüssen mich mit ausgestrecktem rechten Fuss, wie man das unter Töff-Fahrer pflegt. Eine KTM, R1 und Z1000, wie sie Jürg fährt. Ich zucke richtig zusammen. Doch der alte Mann mit den Seitenkoffern und dem Klapphelm und Griffheizung, lässt sich nicht so leicht abhängen. Sogar der Kawa-Fahrer muss das feststellen als ich locker vorbeiziehe. Ha! Erfahrung schlägt PS. Der Anführer der Bande klopft sich wenig später mit der Faust auf den Helm. Das Zeichen kenn ich doch aus Frankreich! Das heisst auch hier Polizei am Strassenrand.
Die heutige Route führt durch zwei Nationalparks – leider sieht man davon wenig. Nebel, Dunst, Regen. Die Natur zeigt Grautöne in allen Facetten. Glashütten liegen am Wegesrand – traditionelles Handwerk, das glasklar nach Tschechien gehört. Ebenso wie verfallene Industriepaläste: Früher Prunkobjekte, heute einsturzgefährdet. Irgendwie – traurig.

An einigen Pässen entdecke ich rote Asphaltstreifen vor engen Kurven. Warnung? Vielleicht. Nur leider rutschiger als ein Eiswürfel auf einem Teller. Wer kommt denn auf solche Ideen? Lassen wir doch die Farben weg und konzentrieren uns auf den Bremspunkt wie wir es mal gelernt haben. Oder nicht?
Litvínov
In Litvínov angekommen, dann die Hotelsuche via App, die findet was, aber der Preis lässt auf eine Matratze mit Obdachlosen-Charme schliessen. Die Eingangstüre zum Hotel ist schon mal verschlossen. Bin ich richtig hier? Habe doch gebucht! Ah, Klingel gefunden. Gedrückt. Bimmel, Bimmel.

Tür geht auf. Eine Frau mind. 120 kg, mehr Bart als ich nach zwei Tagen im Gesicht, steht mir gegenüber und mustert ich ohne was zu sagen. Sie ruft ihren Mann. Der ist freundlich und nett, kassiert in bar, gibt mir den Zimmerschlüssel und lässt mich die BMW in seiner Garage abstellen . Das Hotel, die Fassade hui, innen… sehr 80er Stile. Also nicht retro, sondern original 1984. Wahrscheinlich auch der Teppich.
Abendessen? Fehlanzeige. Alles zu. Kein Mensch auf der Strasse. Nur der Döner hat offen. Na gut. Kulinarik light aber dafür mit Mangosaft. Zurück im Hotel beginnt eine italienische Gartenparty., wenigstens gute Musik. – Zucchero erklingt – dann bin ich weg.






Sonntag, zwischen Griffheizung und Gebirgsgefühlen
Der Wirt ist wirklich nett und bringt mir zum Abschied noch einen Kaffee aufs Haus. Er schaut zum Himmel. Ich auch. Mist. Regen. Nebel. Acht Grad, wie gehabt. Ich ziehe den Sturmkragen hoch – ein äusserst seltener Akt. Sogar die Griffheizung wird aktiviert.
Die Strecke gefällt mir heute um einiges besser. Das Erzgebirge – kein Hochgebirge, aber ein Wohlfühlgebirge. Kurvig, charmant, bewaldet. Wenig Verkehr und noch weniger Dörfer. Da kommt man endlich in den gewünschten Flow.
Gegen Nachmittag reisst der Himmel immer mal wieder auf. Ein Hoffnungsschimmer. Meine Runde um Tschechien ist damit komplett. Ich habe alle geforderten Pässe bezwungen, Döner gegessen, Glashütten gesehen und bin von polnischen PS-Rowdys erschreckt worden.
Morgen geht’s zurück. Ich freue mich. Auch wenn ich’s vielleicht nicht ganz zugebe.







Cooler Bericht. Gruss vom Z-Pilot der sich nicht abhängen liesse 😉