860 km später, der Linksverkehr ruft
Heute ist es endlich soweit! Der Startschuss für unser Motorradabenteuer Ride the Islands. Früh aus den Federn, Helm auf und dann 860 Kilometer nordwärts aus der Schweiz in Richtung Calais. Dabei haben wir sämtliche Klischees der Langstrecke erfüllt, Autobahn ohne Ende, endlose braune Getreidefelder bis zum Horizont links und rechts des mehrspurigen Asphaltstreifens, auch viele Hügel gibt es, welche die Eintönigkeit auch nicht wirklich auffrischen können. Dann ein Thermometer das bis max. 29 Grad steigt und natürlich… Zahlstellen!
Ein Hoch auf diese mühsame Motorradfahrer-Disziplin an der Mautstation. Rechts ranfahren, Handschuhe abfummeln, in gefühlt 35 Taschen herumkramen, das Ticket suchen, die Kreditkarte zücken, während hinter einem die folgenden Autos und deren Fahrer langsam ungeduldig werden. Aber hey, Tradition muss sein! Man könnte die Motorradfahrer auch gratis ziehen lassen, wie das zum Beispiel in Norwegen praktiziert wird.
Kurz vor Calais dann die spontane Planänderung: Wir sind ja viel früher dran, als es die schnellste Marschtabelle vorgesehen hat und wir könnten eine frühere Fähre nehmen, statt um 21:30 schon um 18:00 Uhr. Mich kümmert sich am Terminaleingang darum. Es klappt! Wir kriegen Zutritt auf die 6i-Fähre. Flexibilität ist auf so einer Reise das halbe Abenteuer. Auch die Lambus-App läuft heute heiss, schliesslich wollen wir die Ausgaben korrekt und brüderlich aufteilen ohne Taschenrechnerakrobatik zum Schluss. Bei uns ist es halt üblich, dass man an die Tankstelle fährt, beide tanken und einer zahlt. So geht das viel schneller. Nebeinander aufkollonieren und den Schlauch in die durstigen Tanköffnungen stecken.

Das erste Mal betrete ich britischen Boden
Mich war schon mehrmals hier, aber für mich ist es heute ein Novum. Nach der Fährenüberfahrt nach Dover ist es dann soweit: Erstmals das Vorderrad und der Motorradstiefel auf britischem Boden! Ein historischer Moment, wenn auch leicht überfordert, denn ab jetzt gilt es: Links halten! Klingt einfacher, als es nach 10 Stunden Fahrt tatsächlich ist. Die Kreisverkehre fühlen sich extrem komisch an. Auch die Geschwindigkeiten geben mir auf der Fahrt nach Deal zu denken, bis jetzt habe ich nur 30er , 40er und 50er Tafeln gesehen. Wenn das so weiter geht reichen 5 Wochen kaum.



Der Deal von Deal
Unser erstes Quartier liegt im Küstenstädtchen Deal. was für ein Deal! Das Waterfronthotel klingt luxuriöser als es ist. Die Handtücher erinnern hier eher an ein A3-Blatt als an Duschtücher. Wie soll man sich damit trocken kriegen?

Aber der Reihe nach: Wir checken im Waterfront Hotel in Deal ein und kriegen die Zimmer mit der Nummer 18 und 19. Wo liegen die? Klar doch unter dem Dachgiebel. Das ganze Bagage mit Taschen, Helm und Elektronik soll alles ganz nach oben. Wir machen uns an den Aufstieg über die uralte, enge, knarrende und mit Teppich belegte Holztreppe.Aus jeder Etage neue Teppichmuster mit den typischen Mustern der Vergangenheit, kommt einem Museum schon sehr nahe. Dann kommt es: „Mich“ will duschen, die Dusche im Zimmer gibt es hier leider nicht. Aber gleich neben meinem Zimmer ist die Etagendusche angegliedert. „Mich“ sucht den Lichtschalter und kann ihn anfänglich nicht finden und ruft mich nach Hilfe. Rufen ist etwas übertrieben denn man hört alles durch die Wände. Ich eile zur Etagendusche. Die Türe hinter mir fällt mit einem klack ins Schloss. Der Türschliesser verrichtet ganze Arbeit. Mein Schüssel und alles andere liegt nun hinter der verschlossenen Türe.. Ich mit Unterhose auf dem Flur. Wir müssen beide Lachen.
Zur selben Zeit stellen wir fest, dass es zwar Licht gibt, aber die Dusche ausser Betrieb ist. Vielleicht ist das besser so, wer weiss, wo das Wasser überall hingeflossen wäre. Er schaut sich eine Etage weiter unten um und ja es gibt tatsächlich eine weitere Dusche, die funktioniert sogar, aber mit Einklemmgefahr für Männer in unser Grösse.
Ich suche mit meiner spärlichen Kleidung die Reception auf, aber die ist einsam und verlassen. Auch die elektronische Klingeltaste hilft da nicht weiter. Es klingelt zwar aber niemand erscheint. Wer gibt mir jetzt einen Zweitschlüssel? Ich versuche die Türe, wie man es in den Filmen sieht zu öffnen doch leider funktioniert das hier nicht. Die hinterlegte Nummer des Hotels kann ich auch nicht anrufen, denn das Handy ist ja auch „inside“. Aus einem verzweifelten Ansatz heraus frage ich Mich nach seinen Schlüssel. Und siehe da, die Nr. 18 und die Nr. 19 haben das gleiche Schloss. Wir vermuten mal das Hotel baut auf Einheitsschlösser. Ist ja auch einfacher 🙂

Wir wollen nach dem Duscherlebnis noch was essen gehen, vorher noch schnell die Geräte aufladen. Upps! Auch hier gibt es ein klitzekleine Problem mit unseren Zweipolsteckern. Die passen in den meisten Länder in die Dose nicht aber hier in Britannien. Wieder eine extra Wurst. Richtige Riesenstecker mit 3 Vierkant-Bolzen werden hier eingesetzt. Zum Glück finde ich an der verwaisten Reception einen Adapter, damit meine nächtliche Beatmung sichergestellt ist. Nützt ja nichts wenn man den Krempel mitschleppt aber der Stecker nicht passt.
Das essen fasse ich kurz. FastFood auf der Strassenbank.


Wir hoffen mal, dass das nicht unser Kulinarik-Alltag wird. Die Chips (Pommes) sind erstaunlich gelb wenn man sich überlegt dass diese eicht lange in der braunen Ölschmiere verbracht haben. Und jetzt mal schlafen und auf ein vernünftiges Frühstück hoffen.

Uiii das fängt ja schon mal gut an! Viel Spass und weiterhin gute Fahrt 🫶